Science Festival                                                    ars - technica 7                                                                                                                       28. April bis 1. Mai 2017 in  der Hachinga-Halle        82008 Unterhaching, Grünauer Allee 6
Herbert W. Franke: Pionier der Brücke von Kunst und Technik Fragt man Herbert W. Franke nach einem Lebenslauf, dann erhält man zuerst einmal eine Frage zurück: „Welchen denn?“ Das überrascht zuerst einmal, aber es stimmt, wie man schnell feststellt: Denn Herbert W. Franke hat tatsächlich drei davon – und liest man sie, so scheinen sie drei Personen vorzustellen, die wenig miteinander zu tun haben. Da gibt es den Lebenslauf des Physikers, der sich als Höhlenforscher unter anderem mit der Datierung von Kalksedimenten befasst hat, landläufig als Tropfsteine bezeichnet. Dann gibt es den Lebenslauf des Schriftstellers und langjährigen PEN-Mitglieds Franke, der bisher 21 Romane und über zweihundert Kurzgeschichten geschrieben hat, jenen Franke also, der 2016 für sein schriftstellerisches Lebenswerk mit dem „European Grand Master Award“ ausgezeichnet wurde. Drittens ist Franke ein weltweit anerkannter Pionier der Computerkunst, dessen Werke unter anderem in der Bremer Kunsthalle und im Museum für Moderne Kunst in Wien zu finden sind. Franke hat bereits in den fünfziger Jahren begonnen, Kunst mit Maschinen zu erzeugen: erst mit dem Fotoapparat, dann mit Analogrechnern und seit den sechziger Jahren mit dem, was er selbst als „universale Kunstmaschine“ bezeichnet: mit dem digitalen Computer. Franke als bildender Künstler, als Schriftsteller und als Wissenschaftler. Drei Welten, die für sich stehen – und so gibt es viele, die Herbert W. Franke nur in einer dieser drei Welten kennen. Doch man wird der Multi-Begabung nicht gerecht, reduziert man ihn auf eine dieser drei Bereiche. Denn in seiner Person sind sie bestens zur Deckung gebracht: Höhlen zu erkunden, ausgedachte Geschichten zu erzählen oder künstliche Welten bildhaft zu gestalten – für Franke sind das alles abenteuerliche Erlebnisse, mit denen sich auf ganz unterschiedliche Weise „Neuland“ betreten lässt. Denn Franke, der forschende Geist, ist stets auf der Suche nach dem Unbekannten. Wie die großen Geister der Renaissance befasst sich Franke mit diesem Neuen in der Welt sowohl analytisch-deduktiv, eben „wissenschaftlich“, als auch künstlerisch-gestaltend, und damit künstlerisch-kreativ. Das kann er vor allem deshalb so hervorragend, weil er sich nie dauerhaft von den festen Strukturen des Wissenschaftsbetriebs oder eines Unternehmens hat einfangen lassen. Das hätte ihn zweifellos in ein Korsett gezwängt, das manche seiner Fähigkeiten nicht zur Entfaltung gebracht hätte. Franke blieb Zeit seines Lebens ein Freigeist, der ausschließlich seine selbst gewählten Wege menschlicher Neugier ging – und dabei jenen Fragen nachgehen konnte, die den Querdenker besonders interessierten. Eine davon, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht: Was ist Kunst? Insofern war das Kunstschaffen für Franke niemals kreativer Selbstzweck, er wollte mit seinen eigenen Werken „tiefer“ schauen. Der eigene künstlerische Schaffensprozess diente ihm als wissenschaftliche Experimentierfläche für facettenreichen Erkenntnisgewinn. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass ihn die Kunstwelt heute als einen der „Pioniere“ der algorithmischen Kunst bezeichnet, und sein 1957 erschienenes Buch „Kunst und Konstruktion“ von einschlägigen Kunsthistorikern heute als Klassiker bezeichnet wird. Als Künstler hat Franke von Anfang an die Abkehr vom „Bild an der Wand“ propagiert, bildende Kunst mit Dynamik und Interaktivität „aufgeladen“. Bei der diesjährigen „ars technica“ sieht man einige dieser Werke – auf Bildschirmen mit leuchtenden Farben. „Rotationen – Projektionen“ aus dem Jahr 1974 ist  einer der weltweit ersten Computerfilme, damals noch auf schwarzweiß beschränkt. Produziert wurde er als Bühnenhintergrund für die Experimentierbühne der Bayerischen Staatsoper für eine avantguardistische Ballettaufführung im gleichen Jahr. Neben dieser filmischen Umsetzung über Einzelbild hat Franke auch über andere Möglichkeiten nachgedacht, wie man trotz minimaler Rechengeschwindigkeit der ersten Computer zu bewegten Bildern kommen kann. Eine weitere Methode, die Franke mehrfach nutzte, war es, serielle Motive in einem zweiten Arbeitsschritt mittels weicher Fotoüberblendung für das Auge in scheinbare Bewegung zu versetzen – darunter die beiden Fotoserien „Einstein“ und „Serie grün“, ebenfalls aus den siebziger Jahren. Was damals noch Maschinen erforderte, die einen Raum benötigten, leistet heute jedes Smartphone in der Hosen- oder Handtasche. Die Explosion der Leistungsfähigkeit von Digitalrechnern in den letzten fünfzig Jahren erlaubt es längst auf preiswerten PCs, Animationen in Echtzeit zu verarbeiten – und viele Programme von Herbert W. Franke seit den achtziger Jahren sind nicht nur in Bewegung, sondern zudem interaktiv gestaltet: Der Betrachter kann bestimmte Parameter wie Farben, Strukturen oder auch die Perspektive im Raum verändern und mit den Bildwelten so selbst dynamisch experimentieren. Solche interaktiven Programme sind „Space Loop“ oder „Ribbons“. Bei „Hommage à E. M.“ dagegen handelt es sich um eine frühe multimediale Live- Performance mit einem Bildverarbeitscomputer, die erstmals 1989 aufgeführt wurde. Als interaktiver Bildgestalter hat Franke dabei gemeinsam mit den Bewegungen einer Tänzerin auf eine virtuelle Leinwand gemalt – damals noch ein künstlerisches Experiment in Neuland hinein, bei dem Musik, Bewegung und Bildgestaltung in einem elektronisch verfremdeten Spiegelbild zusammenflossen. Der bildende Künstler in Herbert W. Franke war immer auf der Suche nach neuen Methoden für die Kunst – und keine Maschine war sicher davor, von ihm nicht für künstlerische Experimente „missbraucht“ oder doch zumindest „zweckentfremdet“ zu werden. Der Wissenschaftler lotete damit unter anderem auch seine rationale Kunsttheorie aus, die für ihn klärte, warum der Mensch die Kunst als etwas „Schönes“ empfindet – und der Schriftsteller konfrontierte sich wie seine Leser in abenteuerlichen Handlungen mit Gedankenmodellen möglicher Zukunftsentwürfe. Denn der Künstler wie der Wissenschaftler – so jedenfalls definiert das Franke – trägt in der Gesellschaft auch Verantwortung, weil er damit einen Beitrag für die Zukunftsentwicklung leistet. Im Mai 2017 wird Herbert W. Franke nun neunzig Jahre alt. Die ars technica gratuliert ganz herzlich – und wünscht ihm, dass seine kreative Schaffenskraft noch lange erhalten bleibt! Dr. Susanne Päch, Chefredaktion, hyperraum.tv
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Herr Professor Herbert W. Franke wird im Mai 2017 90 Jahre alt, wir gratulieren ihm herzlichst und wünschen noch weiterhin ein gutes Leben.                                                                ars-technica Gruppe